Am Anfang stand das große Erschrecken

Ich weiß nicht, wie es euch so geht, aber ich bin bei uns schon ein bisschen erschrocken, als ich mich bei uns umsah und merkte, in und mit wieviel Plastik wir so leben. Hallo! Wir müssen die "grüne" Tonne öfters rausstellen, als die für den Restmüll - und da sind die Getränkeflaschen noch gar nicht mit angeguckt! - Unfassbar!

 

Dabei hat sich Plastik, wie bei wahrscheinlich ganz vielen von euch, ganz leise und unbemerkt in unser Leben geschlichen.

 

Habt ihr schon einmal nachgedacht, wann ihr zum ersten Mal eine Plastikverpackung gesehen habt?

 

Ich bin ja nun ein Kind schon der 1960er Jahre. Meine ersten Erinnerungen sind Lego-Bausteine, ein Baukasten, der Plasticand hieß, mein Schulkleid, das mindestens aus 100 % aus Nylon bestand (ich habe es gehasst!) ... und dann muss ich mir schon Mühe geben, ob mir noch etwas einfällt.

 

Auch Bohnerwachs kenne ich noch in dieser Form ...

 

... bevor es von dieser Tube abgelöst wurde.

 

Dann aber ging alles rasend schnell und doch unbemerkt: Toilettenpapier verschwand in Plastiktüten, Emailschüsseln verschwanden, die Musikcasette eroberte unsere Ohren, die Tubber-Welle flutete die Küchen, Gurken kriegten eine Folienhaut ...

 

 

 

So schlich sich Plastik in unseren Alltag ein und ich habe es gar nicht bemerkt! Natürlich haben wir unsere Leben dazu erzogen, das Licht beim Verlassen eines Raumes auszuschalten, das Wasser zeitig abzudrehen (damit die Fischlein nicht verdursten) und den Müll ordentlich zu trennen ... aber ganz ehrlich? - Plastik war so selbstverständlich, dass wir es schlicht übersehen haben.

 

Dass es so nicht nur uns erging, erkennt man beim Gang durch die Geschäfte: Würde man in die Hände klatschen und rufen, "alles, was nicht zumindest in Plastik verpackt ist, raus!", würde sich rein gar nichts bewegen. Schlechtes Gewissen? - ... brauchen wir ja auch gar nicht zu haben: Wir sammeln Verpackungen mit dem grünen Punkt in entsprechenden Behältern (besonders lustig sind die gelben Säcke! Habt ihr schon einmal überlegt, wie widersinnig die sind?) und Pfand auf Einwegflaschen führt dazu, dass wir sie nach Gebrauch erneut dem Wertstoffkreislauf zuführen ... denken wir.

Der in Tiefschlaf verfallene Rebell in mir

Ich bin ein Kind der 1970er und -80er Jahre, noch dazu aufgewachsen in Hessen und ziemlich in der Nähe von Startbahn West (was ganz vielen gar nichts mehr sagen wird) und mitten im gleichzeitigen Trubel um unseren geliebten Bong-See (was so gut wie keinem etwas sagt, für uns aber ganz wichtig war). Ich gehörte zu den "Alternativen", den "Müslis", denen, die "Jute statt Plastik"-Aufkleber und -Anstecker trugen und in schlabbrigen Pluderhosen für einen bewussten Umgang mit der Natur kämpften. Aber dann ... wurde ich das, was man so "erwachsen" nennt; ich wurde angepasst, ich fing an hinzunehmen, zu akzeptieren - na klar! Andere Dinge wurden wichtiger und es war ja auch so leicht, nicht mehr über alles nachzudenken. Ich wurde träge und versteckte mich bequem hinter dem A+++-Kühlschrank und Bio-Gemüse - also bitte, wenn das nicht umweltbewusst ist!

 

Dann kamen die Friday-for-Future-Demonstrationen ... und mir wurde schlecht - nein, nicht über die Initiative der jungen Menschen, sondern über mich: Wo war ich mit meinem Leben nur hingeraten? Was hätte ich als junger Mensch über mich selbst gedacht? Wo waren meine Werte und Ideale geblieben?

 

Das Erwachen und die Freude: Ich lebe noch!

Ich erinnere mich gut daran, als was wir in meinen jungen Jahren alles beschimpft wurden. Diese Erfahrung macht es für mich ganz wichtig, dass ich die jungen Menschen, die heute zum Schutz unserer Erde auf die Barrikaden steigen, unterstütze. Aber es ist nicht damit getan, dass ich verbal für sie Partei ergreife - ich muss bei MIR anfangen, ich muss MEIN Verhalten ändern und damit MEINEN kleinen Sandkrümel beitragen, dass ihr Anliegen, was UNSER ALLER Anliegen sein sollte, umgesetzt werden kann und wird.

 

Wichtig ist nicht, dass einer perfekt auf Plastik verzichtet, sondern dass das jeder tut, so gut er kann!

 

 

So kam die Idee

Also versuchte ich, beim Einkauf so wenig Verpackung wie möglich mit nach Hause zu schleppen ... was schier ein Ding der Unmöglichkeit war. Auf Einkaufstüten verzichtete ich schon immer (was vor der Einführung einer Pflichtgebühr ein Unterfangen war, das mir immer wieder ... zumindest fragende Blicke einbrachte), ich war ganz sicher eine der Ersten, die einen Gemüsebeutel kaufte ... und dann war aber auch schon Schluss mit verpackungsfrei. Es geht einfach nicht! Egal ob im Super- oder Biomarkt, die Ware befindet sich säuberlich und ordentlich in möglichst durchsichtigen Gebinden.

 

2014 eröffnete in Kiel der erste Unverpacktladen, dem inzwischen deutschlandweit mehr als 100 weitere Geschäfte gefolgt sind (schaut doch mal auf diese Karte des Unverpackt-Verbandes e. V.): . Eine echt tolle Sache! ... die es allerdings bislang fast nur in größeren Städten gibt. Für mich ganz persönlich heißt das, ich muss knapp 20 km fahren, um dort einkaufen zu können. Hm.

 

Und genau dieses 'Hm' ist ja ganz sicher nicht nur in meinem Kopf, sondern in noch ganz vielen anderen: Man würde ja unverpackt einkaufen, wenn eben nicht der lange Weg wäre (der noch dazu besonders viel Sinn macht, wenn man ihn mit dem Auto fährt, weil wer kann schon mal eben zum Einkaufen jeweils eine Stunde mit dem Fahrrad hin und zurück gurkeln?).

 

Ich mache mir selbst einen Unverpacktladen!

Mit der Idee kam es dann ganz schnell zu dem Entschluss: Ich mache mir meinen eigenen Unverpacktladen. So. Ich bringe das System "Unverpackt" in unsere ländlichen Gefilde. So. Ich mach das jetzt einfach. So.

 

Also machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Ladenlokal, was jetzt nicht ganz so einfach ist, denn ich würde gerne hier geschäfteln, wo ich daheim bin, wo man mich kennt, wo man auch mal eben auf eine Tasse Kaffee hereinschaut, gerne auch ohne etwas zu kaufen, wo ich nicht Angst haben muss, hinter meiner Ladentür, die sich nur ganz selten öffnet, zu vereinsamen. Aber da gibt es nur eine Option, die erst noch umgebaut werden muss, an der ich aber ganz feste dran bin.

 

Also musste ein Plan-B her: Wenn wir keinen Laden finden, machen wir uns eben einen, mit vier Rädern drunter und ich stelle mich auf Märkte oder Parkplätze (natürlich nur, wo ich darf) und verkaufe dort ... halt erst einmal ein kleineres Sortiment, aber immerhin! Schließlich sind die größten Rindviehcher auch nur als wackelige Kälbchen zur Welt gekommen.

 

Jepp - und hier bin ich!

Sell & ebbes bei Klappenöffnung am 12.12.2019